Bewerbungsrede von Armin Laschet zur Wahl des Vorsitzenden der CDU Deutschlands

27.01.2021

Liebe Freundinnen und Freunde,

gerade jetzt wäre es wichtig, dass wir uns alle persönlich sehen. Und ich bin sicher, würden wir uns bei diesem Parteitag sehen, hätten wir gestern alle stehend, minutenlang, Dir, Annegret, gedankt für Deine Arbeit in den letzten Jahren für die CDU und mit Markus für die Union. Wir werden das bei Gelegenheit nachholen. Denn alle 1001 wollen Dir diesen Dank genau sagen.

Heute sehen wir uns nur digital. Sie sitzen nicht hier in dieser riesigen, leeren Messehalle, sondern zu Hause. Vielleicht mit Ihrer Partnerin, Ihrem Partner, Ihren Kindern, Ihrer Familie, auch denen allen sage ich einen herzlichen Gruß.

Corona, Lockdown, mutiertes Virus, als ob diese Situation nicht schon merkwürdig ist, jetzt auch noch die Bilder vom Capitol in Washington. Amerika war doch immer für das Land der Freiheit und der Demokratie.

Mein Vater war Bergmann, Steiger in der Zeche Anna I in Alsdorf, jeden Tag 1000 Meter unter der Erde, Hitze, Dunkelheit, harte Arbeit. Und er hat mir immer gesagt, wenn du unter Tage bist, dann ist es egal, wo dein Kollege herkommt. Welche Religion der hat, welche Herkunft, wie der aussieht. Entscheidend ist, kannst du dich auf ihn verlassen. Und alle Bergleute hatten eine Erkennungsmarke, die sie immer an den Nagel hängten, wenn sie wieder über Tage waren, heil und gesund. Und diese Bergmannsmarke trägt mein Vater, der später Lehrer war, bis heute an seinem Schlüsselbund. Weil ihn das immer erinnert an dieses Vertrauen, das er unter Tage gelernt hat.

Und Vertrauen, das ist es, was uns trägt und was in Amerika zerbrochen ist. Indem ein Präsident polarisiert hat, indem er Zwietracht und Misstrauen gesät hat, indem er systematisch gelogen hat, hat er Halt und Vertrauen zerstört. Das ist das Gift, das er in die amerikanische Seele geträufelt hat. Und jetzt sehen wir, wohin das am Ende führt. Zerbrochene Fensterscheiben und ein Büffelmann mit Hörnern in der Herzkammer der Demokratie.

Viele glauben, bei uns könnte das nicht passieren. Dabei hatten wir gerade erst selbst Reichskriegsflaggen auf den Treppen des Reichstagsgebäudes. Einer von uns wurde wegen seiner Haltung und seiner Werte jahrelang mit Hetze bedroht und am Ende ermordet. Walter Lübcke. Dem bösen Wort ist die verbrecherische Tat gefolgt.

Liebe Freundinnen und Freunde, Walter Lübcke war Regierungspräsident von Kassel. Ein leidenschaftlicher Kommunalpolitiker. Und viele von Ihnen sind in der Kommunalpolitik tätig. Erleben auch Anfeindungen, oft ganz unmittelbar. Aber Sie machen weiter, Tag für Tag, ehrenamtlich für das Wohl unseres Landes. Um es klipp und klar zu sagen: Wir lassen uns unser Land von Rechtsterroristen und von geistigen Brandstiftern nicht kaputt machen. Und dann höre ich immer wieder den Satz „Man muss auch polarisieren können“, und ich sage, nein, muss man nicht. Polarisieren ist einfach. Das kann jeder. Die Rezepte sind bekannt, das Gift schnell in der Hand, digital schnell zu verbreiten.

Wir müssen Klartext sprechen, aber nicht polarisieren. Wir müssen integrieren können, eine Gesellschaft zusammenhalten, sehr unterschiedliche Menschen zusammenführen. Das ist harte Arbeit. Man muss zuhören. Man muss Unangenehmes hören. Man muss auch mit Menschen zusammen verhandeln, die man vielleicht nicht so mag. Aber am Ende Kompromisse suchen und Lösungen, die die Menschen von uns erwarten. Manche unserer Gegner nennen das „Weiter so“.

Liebe Freundinnen und Freunde, zu Beginn des Jahrtausends wurde Deutschland beschrieben als der kranke Mann Europas. Als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, hat ihr, hat uns allen, Rot-Grün mehr als fünf Millionen Arbeitslose hinterlassen. Angela Merkel, die CDU, wir alle, haben in den vergangenen 16 Jahren Deutschland aus dieser Depression herausgeführt, und heute würde keiner mehr sagen, Deutschland ist der kranke Mann Europas. Schön und gut. Doch keiner wählt uns für die Verdienste der Vergangenheit. Deshalb muss unser Blick in die Zukunft gehen.

Das „Weiter so“, das wir brauchen, ist die Kontinuität des Erfolgs. Der Gegenwind ist sehr viel rauer. Die Gegenkräfte sind viel aggressiver geworden. Weiter so erfolgreich sein, heißt eben nicht, alles so weitermachen, wie bisher. Wir werden vieles anders und wir werden vieles neu machen müssen nach der Pandemie. Aber liebe Freunde, irgendwann kommt immer der Moment, in dem man Tacheles reden muss. Und dieser Moment ist jetzt.

Es gibt viele Menschen, die vor allem Angela Merkel gut finden und erst danach die CDU. Das Ansehen der Bundeskanzlerin bei den Menschen hier und international lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Vertrauen. Dieses Vertrauen brauchen wir jetzt als Partei. Und dieses Vertrauen wird einem nicht geschenkt, wird einem auch nicht vererbt, kann man auch nicht eben mal weitergeben. Dieses Vertrauen muss man sich erarbeiten. Und dafür reichen nicht markige Worte, auch nicht schöne Worte.

Wir drei Kandidaten, die wir uns heute vorstellen, wollen alle mehr Digitalisierung, weniger Bürokratie, Ökonomie und Ökologie versöhnen, Artenvielfalt erhalten, ein starkes Europa, eine verlässliche transatlantische Allianz. Natürlich haben wir viele gemeinsame Ziele. Wir sind ja auch alle in  der CDU. Müsste, könnte, sollte ist aber noch keine Politik.

Man muss das Handwerkszeug einer Politik der Mitte beherrschen, die Fähigkeit zur Einigung. Was heißt das? Wenn alle abstrakt davon reden, Ökonomie und Ökologie zusammenzubringen, dann denke ich an den Kohleausstieg. An nächtliche Runden im Kanzleramt, wo wir verhandelt haben. Aber auch an den Tag danach, als ich bei der Betriebsversammlung den Bergleuten erklären musste: Euer Kraftwerk wird bald geschlossen und ihr geht in den Vorruhestand.

Während alle vom digitalen Aufbruch reden, habe ich nach meinem Wahlsieg 2017 ein echtes Digitalisierungsministerium mit der FDP geschaffen. Während alle von innerer Sicherheit reden, setzen wir Null Toleranz gegen Rechtsbruch und Kriminalität durch, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Wenn Worte und Taten zusammenpassen, dann entsteht Vertrauen. Vertrauen in die Zukunft, das braucht es jetzt. Wir stehen mitten in der größten Krise unseres Landes. Themen, die schon vor Corona drängend waren, sind jetzt wieder da.

Und dazu kommen die wirtschaftlichen und die finanziellen Folgen der Pandemie. Ich denke an die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, an die Einzelhändler, an die Selbstständigen, die bangen derzeit um ihre Zukunft. Das eine ist das Hier und Jetzt, das andere ist das Morgen.

Und deshalb habe ich zusammen mit Jens Spahn die Impulse 2021 formuliert. Wir wollen, dass junge Leute Lust haben, mit Leidenschaft mitzumachen und bei dem Modernisierungsjahrzehnt, das vor uns liegt, sich einbringen. Das Deutschland, das ich mir vorstelle, ist ein europäisches Deutschland. Es ist führend in der Welt durch Exzellenz, Vorbild und Menschlichkeit. Wie das gelingt, dazu gibt es in unserer Partei genug gute Ideen. Die CDU muss wieder zur Ideenschmiede und zum Ort der Diskussion werden. Wir haben das doch digital die letzten Wochen so intensiv gemacht, lasst uns das nach dem heutigen Tag fortsetzen.

Die CDU ist keine One-Man-Show, das sind zig tausende Mandatsträger auf allen Ebenen, 400.000 Mitglieder, das sind Sie, zu Hause, vor den Bildschirmen. Aber wahr ist auch, dass sich nicht mehr die ganze Breite der Gesellschaft in unseren Reihen wiederspiegelt. Mein Ziel ist es, dass wir erste Anlaufstelle werden für alle, die sagen, ich will mitmachen bei der Verbesserung der Welt, ich will mitmachen, das Land moderner zu machen, Menschen aller Einkommensgruppen und Bildungsabschlüsse, Menschen mit und ohne Einwanderungsbiografie, junge und ältere, Frauen und Männer.

Ja, wir haben Frauen in Spitzenämtern. Die Kanzlerin, die Kommissionspräsidentin, die Verteidigungsministerin, doch die erste Reihe repräsentiert nicht die ganze Partei. Wir brauchen mehr Frauen bei uns, ihre Meinung, ihre Stärke, ihre Erfahrungen, ihr Wissen, gerade auch in den Parlamenten. Eines ist doch klar, wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte der Gesellschaft stark bleiben. Wir müssen das Vertrauen der Mitte in uns erhalten und dafür treten Jens Spahn und ich als Team an.

Denn genauso ist klar, das Modernisierungsjahrzehnt wird es mit Rot-Rot-Grün nicht geben. Und darum müssen wir wirklich alles tun, wirklich alles, um den Wählern der Mitte ein überzeugendes Angebot zu machen. Wir müssen gewinnen, nicht weil wir gewinnen wollen, sondern weil wir gewinnen müssen, für unser Land, für unsere Gesellschaft, für eine gute Zukunft. Die CDU und das Deutschland, das ich vor Augen habe, braucht keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden, sondern einen Mannschaftskapitän, der führt und zusammenführt. Und eine Mannschaft, in der sich alle auf einander verlassen können, wie 1000 Meter unter der Erde. Und dann ist es auch nicht mehr wichtig, ob wir aus der Mittelstandsunion oder der CDA, aus der Jungen Union oder der Senioren-Union, aus großen Städten oder ländlichen Räumen kommen - dann ist unsere Vielfalt unsere Stärke. Und so habe ich das als Kreisvorsitzender, als Landesvorsitzender, als Ministerpräsident, als Wahlkämpfer gemacht, immer alle an Bord, jeder kann groß sein, jeder kann glänzen.

So will ich mit Euch in diese Wahlen gehen. Ich bin vielleicht nicht der Mann, der perfekten Inszenierung, aber ich bin Armin Laschet, und darauf können Sie sich verlassen.

Bevor ich hierher gefahren bin, hat mein Vater mir seine Erkennungsmarke als Glücksbringer mitgegeben. Er hat gesagt, sag den Leuten, sie können dir vertrauen. Heute geht es um sehr viel. Es geht um die für die Demokratie wichtigste Frage: Wem vertrauen. Das entscheiden heute Sie.