Interview von Armin Laschet in der WELT: „Mein Favorit ist Jean-Claude Juncker“

29.01.2014

Die Welt: Die Sozialisten haben am Wochenende ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl nominiert, der auch der nächste Präsident der EU-Kommission werden soll. Einen bürgerlichen Gegenkandidaten gibt es bisher nicht. Kann sich niemand mit Martin Schulz messen?

Laschet: Die EVP entscheidet auf einem Parteitag im März in Dublin. Für das Amt des Kommissionspräsidenten braucht man Regierungs-, Management- und Verwaltungserfahrung. Mein Favorit ist Jean-Claude Juncker. Als langjähriger Regierungschef, als Finanzminister, als Chef der Euro-Gruppe gehört er zu den großen Staatsmännern Europas. Er begeistert in Deutschland viele Menschen, er kann mit Leidenschaft und Kompetenz Europa erklären. Er wäre ein sehr guter Spitzenkandidat der EVP für die Europawahl und sollte anschließend Präsident der EU-Kommission werden.

Die Welt: Hatte sich Juncker nicht für die Einführung von Euro-Bonds ausgesprochen, die von der Union als Teufelszeug bekämpft werden?

Laschet: Als Chef der Euro-Gruppe hat Jean-Claude Juncker wesentlich dazu beigetragen, den erfolgreichen Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu unterstützen. Die Alternativen wären klar: Dort SPD-Mann Schulz, dessen Fraktion Schulden vergemeinschaften will und auf die Politik setzt, mit der François Hollande in den letzten zwei Jahren Frankreich ruiniert hat. Hier Jean-Claude Juncker, der soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Kompetenz miteinander verbindet.

Die Welt: Die SPD argumentiert, ein Deutscher als Kommissionspräsident wäre gut für Deutschland.

Laschet: Ich glaube nicht, dass die SPD so antieuropäisch plump argumentieren wird. Es geht bei dieser Europawahl nicht um deutsch oder nicht deutsch, sondern darum, ob die richtige Politik für die Menschen in Europa gemacht wird. Die sozialistische Fraktion im Europäischen Parlament will mehr Regulierung, mehr Schulden, weniger Wettbewerbsfähigkeit und ein riesiges Subventionsmodell für Europa. Angela Merkel hat schon die Bundestagswahl gewonnen, weil die Bürger ihre Euro-Rettungspolitik für richtig halten. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit diesen richtigen Antworten auch die Europawahl gewinnen können.

Die Welt: Andere Christdemokraten setzten hingegen auf Christine Lagarde, die französische IWF-Chefin.

Laschet: Es gibt viele gute Persönlichkeiten in der EVP, die in den letzten Wochen genannt wurden.

Die Welt: Viele in Brüssel glauben, Frau Merkel wolle Herrn Juncker nicht als Spitzenkandidaten, weil ihr in Wahrheit gar nicht an einer starken EU-Kommission gelegen sei.

Laschet: Ich bin sicher, dass Frau Merkel eine starke, handlungsfähige Europäische Kommission will.

Die Welt: Bisher wurde der Kommissionspräsident von den Regierungschefs ausgekungelt. Die CDU fordert in ihrem Grundsatzprogramm, dass diesmal die Wähler entscheiden sollen. Gilt das auch, wenn die Sozialisten die Wahl gewinnen?

Laschet: Erstens bin ich davon überzeugt, dass die Union mit einem leidenschaftlichen Wahlkampf für unsere gemeinsame europäische Idee die meisten Menschen überzeugen wird. Und zweitens: Auch im Lissabon-Vertrag, den die CDU mitgeprägt hat, steht: Der nächste Kommissionspräsident wird von den Regierungschefs vorgeschlagen "im Lichte des Ergebnisses der Europawahl". Die Bürger entscheiden diesmal mit ihrer Stimme wirklich über die Richtung Europas und bestimmen den EU-Kommissionspräsidenten. Deshalb ist diese Europawahl wichtiger als jede zuvor.

Die Welt: Die bayerische Schwesterpartei CSU legt ihren Wahlkampf hingegen Euro-kritisch an.

Laschet: Nein, die CSU hat am vergangenen Wochenende auf ihrem Parteitag klare pro-europäische Aussagen getroffen.

Die Welt: Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Gauweiler sagt: "Dieses Euro-Projekt funktioniert nur auf dem Papier."

Laschet: Peter Gauweiler ist nur eine Stimme. Für die CSU spricht Horst Seehofer.

Die Welt: Vizekanzler Sigmar Gabriel geht die Reform de Energiewende  an. Gut so?

Laschet: Sogar sehr gut. Endlich gibt es die Generalrevision des EEG. Die CDU hat das seit vielen Monaten gefordert und in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Gabriels Aufgabe ist nun, sie auch schnell umzusetzen – möglichst noch vor Ostern.

Die Welt: Tut Gabriel damit die Arbeit, an der seine Vorgänger Peter Altmaier und Norbert Röttgen gescheitert sind?

Laschet: Nein, die Generalrevision der Energiewende ist bisher an der SPD im Bundesrat gescheitert. Gabriel hat nun die Chance, sie mit der Mehrheit der großen Koalition umzusetzen. Die CDU wird bei der Reform der Energiewende wachsam sein, dass Gabriel sich an den Vertragstext hält. So ist er bei seiner Vorlage bei der Bundeskabinettsklausur in Meseberg an einem wichtigen Punkt vom Koalitionsvertrag abgewichen: Wir hatten Unternehmen, die heute schon Strom für ihre Anlagen selbst produzieren, Vertrauensschutz zugesagt. SPD-Wirtschaftsminister Gabriel hat das aufgeweicht, das werden wir ihm nicht durchgehen lassen. Das gefährdet viele Arbeitsplätze, vor allem in der Stahl- und Chemieindustrie.

Die Welt: Eine seltsames Bündnis von CSU und Grünen fällt Gabriel in den Arm und möchte erreichen, dass Bauern auch weiter hohe Subventionen für die Verstromung von Biomasse bekommen.

Laschet: Im Süden wie im Norden gibt es Partikularinteressen der Länder. Aber die bisherige Politik, dass jedes Bundesland autark seine eigene Energiewende macht, ist gescheitert. Die Aufgabe der großen Koalition ist es, aus bisher 16 Energiewenden eine gemeinsame Energiewende zu machen. Da müssen auch Länderinteressen zurückstehen, die stabilen Strompreisen widersprechen.

Die Welt: Dann verhält sich Hannelore Kraft vorbildlich. Von der Ministerpräsidentin aus NRW hört man in Sachen Energiewende nichts.

Laschet: Hannelore Krafts Arbeitsverweigerung ist bedauerlich. Sie hatte noch in den Koalitionsverhandlungen die Arbeitsgruppe "Energie" geleitet, aber jetzt hört man nur noch ihren grünen Umweltminister Remmel, der gegen die Reform des EEG wettert. Ich erwarte von Frau Kraft, dass sie Sigmar Gabriel unterstützt. Er setzt das um, was sie verhandelt hat. Als Energieland Nummer eins in Deutschland kann sich NRW bei dieser Schicksalsfrage nicht auf eine Enthaltung zurückziehen und sich aus der Verantwortung stehlen.

Die Welt: Eine andere Sozialdemokratin ist sehr aktiv. Arbeitsministerin Nahles setzt die Rentenpläne der großen Koalition um.

Laschet: Wichtig ist, dass Frau Nahles wirklich die Rentenreformen umsetzt, die im Koalitionsvertrag beschlossen wurden – und keine andere. Entscheidend ist, dass bei der Rente mit 63 darauf geachtet wird, dass nur Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, diesen Anspruch geltend machen können. Fünf Jahre Arbeitslosigkeit sollen anerkannt werden. Mehr darf es aber keinesfalls werden, denn sonst starten wir ein neues Frühverrentungsprogramm. Und das war und ist nie die Absicht dieser großen Koalition gewesen.

Quelle: Die Welt, 29. Januar 2014

Die Fragen stellte Robin Alexander