
Heutiges Interview des CDU-Landeschefs Armin Laschet mit dem Solinger Tageblatt/Remscheider Generalanzeiger über Kriegsgefahr in der Krim-Krise, den Einfluss des EU-Parlaments und Probleme des Wirtschaftsstandorts NRW.
Solinger Tageblatt: Am 25. Mai wählt Europa ein neues Parlament, während immer mehr Menschen beim Blick auf die Krise in der Ukraine echte Kriegsangst befällt. Was sagt das aus über die Bedeutung der europäischen Einigung?
Armin Laschet: Wenn Sie vor zwei Monaten gesagt hätten, wir brauchen Europa, um Krieg zu verhindern, hätten die meisten gesagt: Ach ja, das sind die alten Sprüche. Aber hätten wir jetzt keinen Euro, wäre die Katastrophe riesengroß, weil 28 Währungen gegeneinander spekulieren würden. Jeder würde in die sicherste Währung gehen – die D-Mark. Diese wäre überbewertet, deutsche Firmen müssten zu überhöhten Preisen exportieren und zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland wären schon jetzt gefährdet. Zur Krisenbewältigung kann ich nur raten, die Diplomatie auszuschöpfen und nicht schwarz-weiß zu malen. Es muss auch erlaubt sein, sich in die russische Position hineinzudenken. Es ist gut, dass heute 28 Länder mit der gleichen Stimme sprechen. Diese Krise führt vor Augen, wie sensibel die Lage in Europa ist. Aber einen Krieg befürchte ich nicht.
Solinger Tageblatt: Erklären Sie uns kurz, wie viel heute schon auf europäischer Ebene entschieden wird und wie sehr es unser Leben bestimmt.
Laschet: Über 80 Prozent der Gesetze, die der Bundestag verabschiedet, sind nur noch Umsetzung europäischen Rechts. Das heißt, alles, was mit dem Binnenmarkt zu tun hat, wird europäisch entschieden. Das fängt mit dem Messer an, das in Solingen hergestellt wird, damit es ohne jede weitere Kontrolle bis ins Regal nach Portugal oder Südpolen gelegt werden kann. Die Qualitätsstandards stehen fest. Diese Regeln festzulegen, ist Sache des Europäischen Parlaments.
Solinger Tageblatt: Können Sie einzelne Sachfelder nennen?
Laschet: Die Bereiche nehmen zu. Jetzt sagt man, wir müssen bei der Energiepolitik mehr europäisch kooperieren, um die wachsenden Kosten für die Firmen in den Griff zu bekommen. Das ist ein Kernproblem, weil sie heute stärker belasten als die Personalkosten. Natürlich gibt es auch den europäischen Haushalt, der festlegt, wie viel Geld in Straßen, in Eisenbahntrassen, in die Landwirtschaft, in die Regionen oder in die Forschung fließt.
Solinger Tageblatt: Warum wird in der Politik so wenig über diese Schlüsselrolle der Wirtschaft gesprochen?
Laschet: Wir haben lange Zeit viel über Umwelt und Nachhaltigkeit gesprochen. Das ist auch richtig. Doch das ist alles moralisch überhöht worden. Industriearbeitsplätze in NRW zu halten, wie etwa in der Solinger Stahlindustrie oder in der Chemieindustrie – das ist auch moralisch. Wir müssen uns um Industriearbeitsplätze kümmern und nicht jeden Tag darüber nachdenken, welche Belastung wir noch erfinden können, um Unternehmen das Leben schwer zu machen. Wem ist damit gedient, wenn in Duisburg ein Stahlwerk zumacht und nach Indien geht? Dem Weltklima nicht, weil da eher schlechter produziert wird als hier. Deutschland ist gut durch die Krise gekommen, weil wir noch 24 Prozent Industriearbeitsplätze haben.
Solinger Tageblatt: Sie haben kritisiert, dass die Prozent-Hürde für das Europa-Parlament gekippt wurde. Welche Gefahren sehen Sie?
Laschet: Das Verfassungsgericht gibt jetzt vor, dass die 5-Prozent-Klausel, die in Deutschland seit 60 Jahren gilt und Stabilität in den Parlamentarismus bringt, plötzlich nicht mehr greift. Heute, da stabile Mehrheitsverhältnisse in Europa immer wichtiger werden, halte ich das für falsch. Wenn die Wahlbeteiligung niedrig ist, bedeutet das für Deutschland, dass vielleicht rechtsradikale Parteien mit nur ein, zwei Prozent ins Europaparlament kommen. Das schädigt deutsche Interessen und erschwert europäische Entscheidungen.
Solinger Tageblatt: Die Selbstverwaltung der Städte leidet stark unter der Finanznot. Wie kann das Land helfen?
Laschet: Das Geld ist in den Gemeinden ebenso knapp wie im Land. Auf Dauer werden wir in NRW nur vorankommen, wenn wir im Wirtschaftswachstum im Schnitt der deutschen Länder liegen. Bei jeder Statistik sind wir aber letzter. Bei der Verkehrsinfrastruktur ist Rot-Grün derzeit nicht einmal in der Lage, die Gelder abzurufen, die bereitstehen – weil die Landesregierung nicht genug geplant hat. Läge unser Wirtschaftswachstum nur im Schnitt der Länder, hätten wir 3,2 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. Damit ließe sich vieles für die Kommunen machen.
Solinger Tageblatt: Brücken und Straßen verfallen landesweit, und man verzichtet auf Geld, weil die Pläne fehlen?
Laschet: Ja. Man muss sich vorstellen, dass NRW deshalb allein im vergangenen Jahr 40 Millionen Euro nicht ausgeben konnte. Das sind hausgemachte Probleme. Die Bayern haben für zwei Milliarden Euro Pläne in der Schublade und haben 140 Millionen Euro mehr bekommen. Aber in Leverkusen können Sie nicht mehr über den Rhein fahren. Das ist für ein Industrieland untragbar.
Solinger Tageblatt: Sie wollen als Chef der NRW-CDU klare Kante zeigen. Mit welchen Themen? Die Umfragen sind nicht berauschend.
Laschet: Wir haben eine Analyse gemacht, warum wir bei den vergangenen Landtagswahlen so stark verloren haben. Was ist da schief gelaufen? 2012 war ja der absolute Tiefpunkt. Für mich ist die Stärkung des Industrielandes NRW und der damit verbundenen Arbeitsplätze ein Schlüsselthema. Die Zukunft des Landes hängt an dieser Frage. Und ich finde, das macht Ministerpräsidentin Hannelore Kraft nicht gut.
Das Gespräch führten Thomas Kraft und Frank Michalczak.
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