200 Mitglieder der CDU Nordrhein-Westfalen waren am Dienstag, 7. Mai 2013, ins Wissenschaftszentrum nach Bonn-Bad Godesberg gekommen, um im Rahmen einer Regionalkonferenz über die Frage „Gibt es eine christliche Politk?“ zu diskutieren.
Die Regionalkonferenz im Bezirk Mittelrhein bildet den Auftakt einer Reihe von insgesamt acht Regionalkonferenzen in allen Bezirksverbänden der NRW-CDU. Die Veranstaltungen sind nach dem Reformkongress, mit dem der Grundsatzprogrammprozess Mitte April Fahrt aufgenommen hatte, der nächste Schritt zur Selbstvergewisserung, wofür die CDU allgemein und in Nordrhein-Westfalen im Besonderen steht.
200 Mitglieder vor Ort – weitere live im Internet dabei
Die grundsätzliche Frage nach dem „C“ als Orientierungspunkt christdemokratischer Politik diskutierten auf dem Podium die ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel, Bischof Franz-Josef Overbeck, Präses Manfred Rekowski und der Landesvorsitzende Armin Laschet unter Moderation von Manfred Rutz. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung hatten CDU-Mitglieder die Möglichkeit, ihre Standpunkte und Fragen an die Diskutanten zu richten, ebenfalls wurden während der Regionalkonferenz weitere Anregungen aus dem Publikum mit einbezogen. Die Regionalkonferenz wurde zudem per Livestream ins Internet übertragen Wer weder vor Ort noch live über das Internet dabei sein konnte, kann die Regionalkonferenz über Videoaufzeichnungen nachverfolgen.
„Die Grundsätze unserer Politik mehr erklären“
Der Landesvorsitzende Armin Laschet erklärte zu Beginn der Veranstaltung, warum es sich für die CDU lohne, sich mit dieser Frage zu beschäftigen: Die Gesellschaft habe sich verändert, längst seien nicht mehr 80 Prozent der Deutschen Mitglied der großen Volkskirchen, wie es noch bis in die 1960er Jahre der Fall gewesen war. Heutzutage sei das „C“ im Parteinamen deshalb keine Selbstverständlichkeit mehr. „Daher muss die CDU viel mehr als früher ihre Grundsätze, die Begründung ihrer Politik, erklären.“ Das christliche Menschenbild sei nicht nur ein Begriff, sondern müsse mit Leben gefüllt werden. Das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ sei dabei die Grundlage für eine Politik, die an sittliche und moralische Normen gebunden ist. Die Folgen und Auswirkungen müssten immer bedacht und moralisch verantwortbar sein. Laschet: „Zu diesem christlichen Menschenbild als Grundlage von Politik kann man auch ja sagen, wenn man jüdischen oder muslimischen Glaubens oder gar Agnostiker ist.“
Drei Antworten auf die Frage „Gibt es eine christliche Politik?“
Präses Manfred Rekowski plädierte dafür, dass Christen sich mit klaren Positionen in der multikulturellen Gesellschaft sichtbar machten. Denn der christliche Glaube habe immer Konsequenzen für das politische Leben. Die Christen müssten sich in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen und für ihre Position werben – zum Beispiel beim Sonntagsschutz: Auch wer das christliche Gebot des Sonntagsschutzes nicht teile, weil er „weltanschaulich anders ticke“, könne sich doch darauf einigen, dass es eine Grenze bei der Arbeit und der Gewinnmaximierung geben müsse. Rekowskis Fazit: „Es gibt christliche Politik, weil es christlich motivierte Politikerinnen und Politiker gibt.“ Bischof Franz-Josef Overbeck begrüßte die Regionalkonferenz als Initiative, das Verhältnis von Politik und Programmatik auf der einen und Religion und Christentum auf der anderen Seite neu aufzugreifen, „gleichsam als eine Vergewisserung in Zeiten des Übergangs.“ Overbeck erinnerte daran, dass die CDU einen maßgeblichen Anteil an der friedlichen rechts- und sozialstaatlichen Entwicklung Deutschlands und Europas gehabt habe – und zwar deshalb, weil es um die politische Gestaltung für alle ging, und nicht um die Besserstellung von Christen. Das „einende Band“ des Handelns sei die Orientierung an den Menschenrechten als politisch säkularer Ausdruck praktizierter Gottes- und Nächstenliebe. Letztlich sagte Overbeck, dass es aus seiner Sicht zwar keine christliche Politik als solche gebe, wohl aber „Christen in der Politik, die entsprechend ihrem Glauben die Gesellschaft zum Wohle der Menschen gestalten.“ Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken Claudia-Lücking Michel stellte in ihrem Einstiegsbeitrag die politische Entscheidung des Einzelnen, die jeder vor seinem Gewissen und vor Gott vertreten können müsse, in den Mittelpunkt. So stellte sie auch die Frage, welche „Würde“ politische Kompromisse haben könnten, beispielsweise beim „zähen Ringen um den bestmöglichen Kompromiss“ bei Themen wie PID, Stammzellforschung oder Schwangerenkonfliktberatung. Lücking-Michel: „Als Christen haben wir den Auftrag, Verantwortung zu übernehmen. Wir können uns nicht in eine vermeintlich heile Welt oder feste Burg zurückziehen und alles andere den anderen überlassen. Wenn ich also bei meinem Ringen um politische Mehrheiten alles getan habe, aber eine Lösung in dem von mir intendierten Sinne ist nicht zu haben – wie verhalte ich mich zum zweibesten, zum geringsten Übel? Welche Würde haben Kompromisse?“
Das „C“ in Familien- und Sozialpolitik
In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem darum, inwiefern die CDU auch nicht-christlichen Mitgliedern politisches Engagement ermöglicht. Laschet: „Unsere muslimischen Mitglieder kennen oft das christliche Menschenbild genauer als die Christen. Sie setzen sich ja auch, bevor sie eintreten, für sich selbst, mit ihren Familien und Freunden mit der Frage auseinander, ob sie in einer christlichen Partei richtig aufgehoben sind.“ Auch zum Thema Ehe und Familie waren während der Konferenz wie auch im Vorfeld einige Fragen und Anmerkungen eingegangen. Während Bischof Overbeck auf Grundlage der 2.000jährigen Auslegung der Heiligen Schrift sagte, dass Kinder in die Ehe von Mann und Frau gehörten, sprach Präses Rekowski von seiner großen Anerkennung für die Verantwortung, die in vielen gleichgeschlechtlichen Beziehungen füreinander übernommen werde. Zdk-Vizepräsidentin Lücking-Michel stellte das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt ihrer Argumentation, dieses sei ausschlaggebend und Kinder gehörten dahin, wo das ihr Wohl am Besten gewährleistet werden könne. Ebenfalls thematisiert wurde das Verhältnis von christlicher Politik und Sozialem: Ziel von Sozialpolitik, so die einhellige Meinung, müsse sein, den Einzelnen zu stärken. Konkret gehe es darum, behilflich zu sein, dass Kinder gute Schul- und Bildungsabschlüsse erzielen, auch wenn die Eltern möglicherweise nicht helfen könnten. Ebenso mache es mehr Sinn, Menschen aus Hartz IV herauszuhelfen, statt die Sätze zu erhöhen.
So geht es weiter: Noch sieben Regionalkonferenzen
Nach dem gelungenen Auftakt mit dem Reformkongress und der ersten Regionalkonferenz in Bonn wird der Grundsatzprogrammprozess zunächst bis zu den Sommerferien mit weiteren sieben in Regionalkonferenzen in den Bezirksverbänden der nordrhein-westfälischen CDU fortgesetzt. Die Regionalkonferenzen, zu denen jeweils prominente Redner eingeladen wurden, um Denkanstöße zu geben, sollen der Partei helfen, gemeinsame Standpunkte zu formulieren. Landesvorsitzender Armin Laschet: „Dieses Programm, welches wir innerhalb einen Jahres erarbeiten und diskutieren wollen, wird CDU pur sein. Es wird eine Definition sein, was wir wollen und wer wir sind.“ Nach dem Bundestagswahlkampf geht es dann in die konkrete Programmarbeit. Der Grundsatzprogrammprozess soll im Frühjahr 2014 mit einem Landesparteitag abgeschlossen werden.
Die weiteren sieben Regionalkonferenzen (genaue Termine und Veranstaltungsorte werden noch bekanntgegeben):
„Wie verändern internationale Entwicklungen NRW?“, Bezirksverband Bergisches Land
„Gelingt sozialer Aufstieg durch Bildung?“, Bezirksverband Niederrhein
„Wie sichern wir Lebensqualität im ländlichen Raum?“, Bezirksverband Münsterland
„Sind Ökonomie und Ökologie versöhnt?“, Bezirksverband Aachen
„Ist das Industriezeitalter tatsächlich zu Ende?“, Bezirksverband Ruhr
„Was gefährdet unsere Sicherheit?“, Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe
„Hat Familie Zukunft?“, Bezirksverband Südwestfalen
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